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Ich freue mich von Herzen, dass die wunderbare Isa vom Blog Wunderland sich bereit erklärt hat, mir im Interview ihre Geschichte des Weges in ein – eigentlich ungewolltes – Leben ohne Kind zu erzählen. Herausgekommen ist ein langer Text (nicht aufgeben!) – aber auch einer der lesenswertesten Texte über diesen Weg, die ich kenne. Und weil Isa wirklich toll ist, spendiert sie – wenn man genau hinliest – auch eine ganze Reihe Tipps wie man gut in das neue Leben findet. Lest selbst:

Wer bist Du? Was ist Deine Geschichte?
Ich bin Isa. Ich lebe mit meinem Mann und Hund(en) in irgendeinem Haus an irgendeinem Stadtrand irgendwo in Deutschland und einen Teil des Jahres irgendwo im Ausland. Ich habe mal irgendwas mit Psychologie studiert und als Coach irgendwo in der freien Wirtschaft gearbeitet. Seit einigen Jahren führe ich gemeinsam mit meinem Mann als selbstständige Unternehmerin irgendwelche Betriebe.

Ich bin ein Informationsjunkie und ein Hundefreak. Ich engagiere mich für Tierheimhunde und ausgewählte Tierschutzprojekte. Ich lebe trotzdem nicht vegan und meine Hunde ernähre ich nicht vegetarisch. Ich bin eine feministische Tussi mit zahlreichen Heels im Schrank – aber meist in Boots oder Gummistiefeln im Wald unterwegs. Ich interessiere mich für sozialpolitische Themen, Spiritualität, Philosophie und Fitness. Brauche mein tägliches Yoga mittlerweile wie die Luft zum Atmen und bin ein Nachtmensch seit ich denken kann. Und ich bin der totale Familienmensch.

Man könnte auch sagen, ich bin besessen vom Leben. Mit all seinen Farben. Ich liebe Vielfalt. Ich mag es bunt. Und laut. Und liebe die Stille. Ich liebe und lebe Gegensätze. Und ich passe unter Garantie in keine Schublade. Wer unserem Blog oder meinem Twitter-Account regelmäßig folgt, der wird jetzt vermutlich grinsen und wissen, was ich meine. Gemeinsam mit einer Freundin (Belle) schreibe ich für unseren Blog “Wonderland – CNBC Blog” – einigen vielleicht auch noch bekannt unter “Manchmal-ist-es-nie”.

Begonnen haben wir den Blog, um unseren jeweilige Abschied vom Kinderwunsch zu verarbeiten und um unsere Geschichten bewusst öffentlich zu teilen. Kinderwunsch-Blogs gibt es mittlerweile viele, glücklicherweise. Glücklicherweise deshalb, weil damit das große Schweigen um das Thema ungewollter Kinderlosigkeit endlich gebrochen wird. Uns ist allerdings immer noch kein einziger weiterer deutschsprachiger Blog bekannt – und wir haben lange gesucht danach – der den eigenen Abschied vom Kinderwunsch beschreibt. Im Prinzip fangen Belle und ich also da an zu erzählen, wo andere (noch) aufhören. Nämlich an dem Punkt: Wie geht es denn jetzt weiter, wenn all die Bemühungen um ein Kind nicht zum lebenden Kind geführt haben. Für unsere Kinderlosigkeit gab es nie eine medizinische Ursache zu finden. Unser Weg war aufgrund ausbleibender Schwangerschaften lange Zeit geprägt von vielen ART-Behandlungen ohne Erfolg aber mit vielen unvorhersehbaren, nervenkostenden Verläufen.

Dafür kam es jedoch nach 3 Jahren dann zu 3 Spontanschwangerschaften auf natürlichem Weg (darunter eine Zervixschwangerschaft, mit der man mich unerkannt parallel durch eine ICSI schickte, was zu lebensgefährlichen Situationen und Not-Operationen führte). Warum ich unser Babygirl, meine erste Schwangerschaft, Ende des ersten Trimesters verlor, konnte nicht geklärt werden. Unseren Sohn (meine dritte und letzte Schwangerschaft) verloren wir durch eine freie Trisomie 9. Wir sind den Weg all die Jahre immer sehr bewusst und ergebnisoffen gegangen. Haben uns Zeit genommen, immer wieder Pausen gemacht, uns immer wieder gefragt, ist es das noch ? Wollen wir das noch ?

Dass der Weg auch ohne Kind enden kann, habe ich mir von Anfang an immer wieder bewusst gemacht – in keiner Weise war ich jedoch auf den Schmerz vorbereitet, der uns jeweils nach dem Verlust unserer Kinder überfiel.
In den Trauerprozess um unseren Sohn hinein konfrontierte man uns dann zusätzlich quasi aus dem Nichts heraus mit dem Verdacht auf eine Erbkrankheit – aufgrund dessen wir uns dann endgültig entschieden, den Kinderwunschweg zu verlassen. Möglicherweise wäre unser Weg auch ohne diese “Information” zu Ende gewesen. Die Gedanken darüber hatten wir uns bereits gemacht – aber noch hatten wir nichts entschieden.

Auf gar keinen Fall jedoch waren wir bereit, unseren Kinderwunsch auf dem Rücken eines Kindes auszutragen, das unsere Wunschverwirklichung evtl. mit schwerwiegenden gesundheitlichen, vielleicht sogar lebensbedrohlichen Problemen hätte bezahlen müssen. Ein solches Risiko bewusst bereits im Vorfeld einer Schwangerschaft einzugehen, nur um Mutter zu werden….das halte ich für unfassbar egoistisch. So viel dann übrigens zum Thema: die Entscheidung gegen Kinder sei egoistisch. Der Kinderwunsch an sich ist ein erst mal egoistischer Wunsch. Niemand bekommt Kinder, nur um die nächste Generation Rentenzahler auf die Welt zu setzen oder aus anderen altruistischen Gründen. Auch wenn sich Eltern gerne mal als Teil von etwas Größerem sehen. Und viele Kinderwunschpaare mit dem Hinweis auf den Wert des Lebens an sich ihre eigenen Wege zur Wunscherfüllung rechtfertigen. Wie immer die aussehen mögen. Ich finde, da muss man einfach ehrlich bleiben. Vor allem sich selber gegenüber !

Den Weg über Eizell- oder Samenspende zu gehen haben wir für uns immer ausgeschlossen. Damit war unser Weg im Rahmen unserer eigenen, persönlichen Grenzen nach 5 Jahren an seinem Ende angekommen.

Wie sich erst vor kurzem herausstellte, gab es für die Behauptung einer potentiellen Erbkrankheit keinerlei begründete, konkrete Anhaltspunkte. Es ging einfach nur darum, uns in eine rein wissenschaftliche Screening-Studie zu drängen, für die wir aufgrund einer bestimmten Konstellation interessant waren. Das hat mich eine Zeitlang lang extrem aus der Fassung gebracht und nochmal alte Wunden aufgerissen. Und wir haben uns quasi neulich ein zweites Mal entschieden. Für uns gibt es keinen Weg zurück. Vor 19 Monaten haben wir Abschied vom Kinderwunschweg genommen. In diesen 19 Monaten ist viel passiert 🙂 Es spricht für uns nichts mehr dafür, in´s Kinderwunsch-Business zurückzukehren. Aber alles dagegen 🙂

Du bist CNBC („childless not by choice“) – was bedeutet das für Dich?
Es ist in erster Linie ein Label, mit welchem man anderen relativ schnell inhaltlich klar machen kann, worum es thematisch geht. Auch wenn es für mich nicht wirklich passt. Ich empfinde mich tatsächlich ja nicht als kinderlos. Ich bin Mutter von 3 Sternenkindern. “Herzensmutter” nenne ich das auch manchmal. Das lässt sich aber nicht in jedem Kontext kommunizieren. Wenn man mich am Buffet zwischen im wahrsten Sinne Suppe und Kartoffeln fragt “Und, haben Sie Kinder?”, dann habe ich nicht immer zwingend Lust, meine ganze Geschichte UND damit auch meine Kinder einem Small-Talk-Niveau auszusetzen.

Die Frage nach Kindern und dem ausgeübten Beruf sind in erster Linie ja auch Fragen, mit denen sich das Gegenüber versucht, in seinem sozialen Status einzuordnen. Da geht es weniger um echtes Interesse als um einfache, gesellschaftliche Rangordnungsfragen. Etwas wohlwollender betrachtet könnte man noch ergänzen, dass der eine oder andere damit auch nach Gemeinsamkeiten sucht, über die man sich dann beim Essen austauschen kann. Die gibt es zum Thema Kind mit mir eben nicht. Mir taugt als Antwort auf die Frage nach Kindern daher oft ein einfaches “Nein” am besten. Ist jemand distanzlos genug ein “Warum nicht” nachzuschieben, frage ich halt zurück: “Warum haben Sie welche ?” Damit rechnet nie jemand. Das ist wie eine Nebelkerze zu werfen 🙂 Es lenkt Deinen Gesprächspartner sofort von Dir ab.

CNBC ist ja ein Synonym, welches sich in der englischsprachigen Community durchgesetzt hat. Es ist einfacher zu verwenden, vor allem im Blog, als das sperrigere “ungewollt kinderlos“. Die Englische Sprache differenziert einfach insgesamt deutlicher. Man könnte auch sagen, wir sind “childless by circumstances”. Auch das beschreibt gerade unsere persönliche Geschichte ganz gut.

CNBC wird übrigens von einigen auch als “childfree-not-by-choice” verwendet. In Anlehnung an die CBC (childfree-by-choice), die damit die positiven Aspekte des Lebens ohne Kind zum Ausdruck bringen wollen. Kinderfrei – den Begriff kennt die deutsche Sprache so nicht als Adjektiv. Interessant, nicht wahr? Und sehr aufschlussreich! Wir betonen mit unserem “kinderlos” immer den Mangel – den Verlust, das Fehlen von Kindern.

Fakt ist eben, wir leben in einer Elterngesellschaft. Kinder zu haben ist immer noch die Norm, nicht die Ausnahme und auch wenn die Gruppe der Eltern sicherlich heterogen ist, so obliegt vor allem der heterosexuellen, verheirateten Elterngesellschaft die normative Deutungsmacht. Es gibt Vorurteile bis hin zu struktureller Diskriminierung Kinderloser. Das ist so. Auch wenn es gerne geleugnet wird. Genauso wie die durchaus vorhandene Privilegien, die Eltern haben. Auch wenn da noch Luft ist, was das Thema “Vereinbarkeit” angeht, beispielsweise. Und über die Rentenbenachteiligung von Müttern brauchen wir auch nicht reden. Das geht gar nicht.

Die kinderhabende Mehrheitsgesellschaft schnürt sich mit der verbissenen Aufrechterhaltung des Mütterideals aber auch selber die Luft ab. Die Debatte um “regretting motherhood” vor einiger Zeit hat sehr schön gezeigt, wo wir in Deutschland als Gesellschaft zu diesem Thema stehen. Kinderlos zu sein und zu bleiben, in einem Land, in dem ein “Nein” auf die berüchtigte K-Frage immer noch keine von der Gesellschaft akzeptierte Antwort ist, ist definitiv eine Herausforderung.

Als dauerhaft ungewollt Kinderlose (also als CNBC) musst Du Dich retrospektiv mit dem Erlebten der aktiven Kinderwunschjahre und auch mit dem (uneindeutigen) Verlust eines erträumten Lebenskonzeptes auseinander setzen, musst Dich selber neu finden und neu verorten. In Dir selber und in Deinem Leben. Das bedeutet nicht zuletzt auch hinsichtlich Deiner privaten und gesellschaftlichen Beziehungen. Rollen bedingen sich ja auch immer gegenseitig. Ich würde übrigens bezogen auf meinen gelebten Alltag heute eher sagen ich bin eine “childfree not by choice” 🙂

Du hast – wie ich – jahrelang alles dafür getan und sagst von Dir selbst, dass „der Weg mit leeren Armen endet“. Was hast Du erlebt, als Du merktest, dass Du Dich vom Kinderwunsch verabschieden musst?
Ich würde sagen, mein Mann und ich haben im Rahmen unserer persönlichen Grenzen das gegeben, was wir als Paar geben konnten und zu geben bereit waren. Darauf kommt es glaube ich auch an. Sicherlich gäbe es noch andere Wege, die man hätte gehen können. Wir hätten es ja “einfach” weiter versuchen können. Möglicherweise wäre ich auch ein viertes Mal schwanger geworden. Ohne zu wissen, wie das ausgegangen wäre.

Oder wir hätten es mit Eizell- und/oder Samenspende oder gar Leihmutterschaft versuchen können. Am Ende bleiben wohl immer, zumindest theoretisch, weitere Möglichkeiten offen. Aufzugeben erscheint für viele da geradezu unmöglich.

Auch für unsere Entscheidung hatten nicht alle Verständnis. Manche haben das verhalten, andere offen ausgesprochen. Vor allem andere Betroffene in der Kinderwunsch-Szene. In unserem persönlichen, engen Umfeld gab es da glücklicherweise weit mehr Verständnis. Das Glück haben aber nicht alle ungewollt Kinderlosen. Jede, die den Kinderwunsch unerfüllt irgendwann aufgibt, erinnert auch alle anderen Betroffenen daran, dass es absolut im Bereich des Möglichen liegt, dass das Ganze auch ohne Kind endet. Und das möchten viele am liebsten gar nicht wissen. Außerdem leben wir in einer Leistungskultur: Gib nicht auf. Niemals. Das ist das Credo. Du musst nur hart genug arbeiten, es genug wollen. Es noch mehr wollen. Es immer noch einmal mehr versuchen, als Du gescheitert bist. Im Kinderwunsch funktioniert das Leistungs-Belohnungs-Prinzip aber nicht. Ebenso wenig wie übrigens in einigen anderen Lebensbereichen. Manche Dinge entziehen sich einfach unserer Kontrolle und unserem Einflussbereich.

Daher halte ich es für absolut kontraproduktiv und sogar gefährlich, wenn Ärzte aber auch Therapeuten oder Coaches die betroffenen Patienten während des Weges in einer künstlich erzeugten Hoffnungsspirale halten. Mut machen ist wichtig. Aber eine frühzeitige, realistische Auseinandersetzung mit jedem möglichen Szenario ist mindestens genauso wichtig imo. Das alles hat sonst auch nichts mehr mit positiver Psychologie zu tun. Und über die Grenzen des positiven Denkens oder gar von magischen Wunscherfüllungskonzepten wie “The Secret” müssen wir wohl gar nicht erst reden.

Meines Erachtens nach müsste man viel mehr darauf setzen, die Kompetenzen und Ressourcen der Paare zu stärken, die sie in die Lage versetzen, mit dem einen wie dem anderen Ausgang der Geschichte irgendwann klar zu kommen. Es müsste viel mehr in den Fokus gerückt werden, dass “gut ausgehen” bedeutet: “es geht gut aus, EGAL wie es ausgeht”. Das Lebensglück darf nicht abhängig gemacht werden davon, ob sich der Kinderwunsch erfüllt oder nicht.

Ich glaube, wenn man den Kinderwunschweg verlässt, dann muss man damit leben, dass es in der Theorie eben immer noch andere Möglichkeiten gegeben hätte. Wir CNBC werden nie wissen, ob nicht der nächste Versuch hätte derjenige sein können, der uns mit einem lebenden Kind beschenkt. Die Wahrscheinlichkeit wird jedoch irgendwann verschwindend gering. Natürlich gibt es Frauen, die nach dem “gib niemals auf – Prinzip” hohe zweistellige Reprobehandlungen auf sich nehmen, oder in´s Ausland fahren zur Eizellspende. Manchmal auch das dann wiederum mehrfach. Denn auch nicht jede Eizellspende verhilft zum Kind. Das wird auch gerne mal ausgeblendet, übrigens. Eine Eizell- oder Samenspende ist auch kein Allheilmittel für Unfruchtbarkeit.

Man darf bei all dem auch noch etwas anderes nicht vergessen: für die “gib nicht auf Mentalität” zahlt man unter Umständen einen hohen Preis. Und physische, psychische und finanzielle Ressourcen stehen niemandem unbegrenzt zur Verfügung. Selbst wenn man den Weg sehr bewusst geht – Du zahlst Deinen Preis dafür. Immer. Du führst ein Leben in der Warteschleife, denn niemand trifft weitreichende Entscheidungen in anderen Lebensbereichen in dieser Zeit. Man macht immer wieder Trauererfahrungen nach einem weiteren “Negativ”, hat traumatische Erlebnisse rund um Fehlgeburten.

All das summiert sich im Laufe der Jahre. Gleichzeitig erscheint ein Aufgeben damit möglicherweise auch immer teurer. Das Prinzip der “sunk costs” greift hier eigentlich ganz gut. “Sunk costs” bezeichnen in der Betriebswirtschaftslehre bereits angefallene Kosten, die bei einer anstehenden Entscheidung z.B. über die Weiterführung eines Projekts nicht berücksichtigt werden sollten. Der Mensch tendiert allerdings dazu, instinktiv genau gegenteilig zu reagieren, nach dem Motto: „jetzt hab ich schon so viel investiert. Wenn das jetzt alles “umsonst war”, dann war es aber echt richtig teuer. Danke für Nix, oder was ?“ Also lieber doch das nächste Ticket gekauft und weiter gemacht. Wie am Pokertisch. Der eine Gewinn, der all die Verluste dann wieder rausholt. Am Ende ist es aber fast immer die Bank, die daran verdient 🙂

Mein Mann und ich haben immer wieder unsere Ressourcen überprüft – und dabei versucht, wirklich ehrliche Antworten zu finden, um nicht in eine Abwärtsspirale zu gelangen. Glücklicherweise waren wir auf dem Weg immer in ähnlichem Tempo unterwegs. Denn eine Entscheidung muss man ja auch – in der Regel zumindest – als Paar gemeinsam treffen. Und dann sollte sich die Entscheidung immer an demjenigen orientieren, der einfach keine Ressourcen mehr hat. Nachdem unsere Entscheidung gefallen war, begann eine emotional nochmals sehr schwierige Zeit für uns. Als dabei besonders belastend habe ich es empfunden, dass sich die Trauer um den Verlust unseres Sohnes mit der Trauer um das Loslassen eines Lebenstraumes mischte. Das gegeneinander abzugrenzen war mir vor allem anfangs fast unmöglich. Wobei es enorm wichtig ist.

Diese doppelte Trauer ist ein Preis, den man evtl. für die Entscheidung “noch ein allerletzten Versuch” zahlen muss. Wenn der Weg nicht mit einem lebenden Kind endet – sondern mit einem toten Kind! All diese Szenarien muss man mitdenken, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen. Wenn Du Dich dabei hinsichtlich Deiner eigenen Kraft verkalkulierst, dann ist die Gefahr groß, dass Dich der “nächste Versuch” emotional über die Klippe haut. Kinderwunsch-Burnout ist keine Seltenheit. Es erfordert eine große innere Achtsamkeit, wenn man diesen Weg jahrelang geht.
Und selbst dann ist er kein Spaziergang durch Blumenwiesen. Vor allem um so weniger, je länger er dauert und je mehr traurige, frustrierende oder sogar traumatisierende Erfahrungen man dabei sammelt.

Mit dem Abschied vom Kinderwunschweg legst Du keinen Schalter um und alles ist plötzlich fein. Ich habe oft den Eindruck, dass viele auf diesen inneren Frieden und die Akzeptanz ihrer Kinderlosigkeit von Beginn an aber hoffen. Dieses Gefühl sogar manchmal zum Ratgeber machen, darüber, ob man bereit ist, die Bemühungen um ein Kind aufzustecken.

Akzeptanz und innerer Frieden ist aber das Ergebnis eines unumgänglichen Trauerprozesses. Ohne geht es nicht. Das bedeutet: ja, es ist anstrengend, am Anfang.
Ich habe den Abschied vom Kinderwunsch mal damit beschrieben, wie Alice durch den Kaninchenbau in´s Wonderland zu purzeln. Bei dem Surz kann Dir schon erstmal Hören und Sehen vergehen.
Und die wunderbare Welt des Wonderlands mit all ihren Möglichkeiten musst Du Dir erst erschließen. Es ist Neuland. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Du knüpfst auch nicht einfach an Dein kinderloses Ich vor dem Kinderwunsch an und lebst so weiter wie damals. Es ist in vielen Dingen anders. Ich würde heute sogar sagen: besser als je zuvor 🙂 Ich habe aus dem Erlebten nochmal an innerer Stärke gewonnen. Ich bin viel klarer, präsenter aber auch achtsamer als früher.
Das trägt mich heute durch´s Leben.
Auch wir als Paar haben uns verändert. Uns hat unser gemeinsamer Weg noch stärker zusammengeschweisst. Wir wissen, was wir als Paar zusammen alles schaffen können.
Es gibt aber auch nicht wenige Paare, die daran zerbrechen. Wundern wird das niemanden, der weiß, wie hoch die Belastungen in diesen Jahren sein können. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass Frauen und Männer mit ihrer Trauer tendenziell anders umgehen. Das erfordert Verständnis auf beiden Seiten.

In den ersten Wochen nach der endgültigen Entscheidung war da für mich sehr viel Schmerz, Trauer – auch Wut. Unfassbare Wut. Und manchmal einfach nur totale Leere. Gleichzeitig war aber auch von Beginn an ein Gefühl des Getragen-Seins und einer großen inneren Ruhe da. So ein Aufgehoben sein. Wie ein Grundrauschen. Ich habe trotz allem immer in´s Leben vertraut. Dahingehend bin ich wohl ziemlich unverwüstlich 😉
Ich bin auch nie lange in einem meiner Gefühle hängen geblieben. Sie kamen und gingen. Wie Wellen. Die ersten waren richtige Brecher, die mich von den Füßen gehauen haben. Ich habe mich dann einfach mitziehen lassen. Mit Gefühlen ist es wie in einem Strudel. Wenn Du dagegen ankämpfst, dann wirst Du mit größerer Wahrscheinlichkeit irgendwann ertrinken. Einem Strudel entkommst Du am wahrscheinlichsten in Bodennähe. Da verliert er seine Kraft und spuckt Dich wieder aus. Mit Trauer und Schmerz ist es ähnlich. Solange Du dagegen kämpfst brauchst Du all deine restliche Energie in diesem Kampf auf. Einem Kampf, den Du so eh nicht gewinnen wirst.

Ich habe mich sehr in die Stille zurückgezogen, gerade in der ersten Zeit. Wann immer es möglich war. Tagsüber habe ich im Job irgendwie funktioniert. Und abends und am Wochenende war ich sehr mit mir selber beschäftigt. Ich habe mit meinen Eltern gesprochen, wenn ich Gesprächsbedarf hatte. Ebenso mit Belle und einer weiteren guten Freundin, die ich in der Kinderwunschzet kennen lernen durfte. Mit meinem Mann habe ich viel gemeinsam geschwiegen. Wir waren uns immer nah – auch ohne viele Worte darüber. Haben gemeinsam etwas unternommen, was uns beiden Spaß macht. Da war viel stummes Einverständnis. Es war denke ich wichtig, mein „weibliches Gesprächsbedürfnis“ nicht an ihm abzuabeiten sondern da selber für mich zu sorgen – und trotzdem zu erkennen, dass er bei mir, bei uns war. Und er hatte dadurch die Möglichkeit, mir das auf seine Weise dann auch zeigen zu können. Wir haben uns gegenseitig einfach gelassen.

Ich bin viel in der Natur unterwegs gewesen. Ich habe Sport gemacht. Und ich habe geschrieben. All das habe ich aber immer schon getan. Und tue es heute noch. Es sind Dinge, die mir einfach gut tun. Die ich für meine Psychohygiene brauche. Für mich hat gerad das Schreiben auch einen therapeutischen Effekt. Es hilft mir, Dinge zu verarbeiten. Mich zu sortieren, zu fokussieren. Neu auszurichten.

Ich habe mich nochmal in die Vergangenheit begeben. Alte Forenbeiträge gelesen. Mich mit Erinnerungsstücken umgeben. Und dann aussortiert. Alles, was mit dem Kinderwunsch zu tun hatte, habe ich rigoros weggeschmissen. Bücher, Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente und Spritzen. Behandlungspläne etc. Aber für jedes Kind haben wir ein Schatzkästchen angelegt. Mit Mutterpass, Ultraschallbildern und einem Stückchen Stoff, der von dem stammt, in dem sie jeweils beigesetzt wurden. Wir haben die Grabstellen auf dem Sternenkinderfriedhof nochmal besucht. Es ist schön, einen solchen Ort zu haben. Es ist sehr friedlich dort. Aber wir brauchen ihn nicht. Für uns sind unsere Kinder da, wo wir sind. Egal, wo auf der Welt das ist.

Wie ist Dein Weg weitergegangen? Was hast Du getan, um auch ohne Kind Dir ein erfülltes Leben vorstellen und leben zu können?
Etwa zwei Monate nach unserer Entscheidung, den Kinderwunschweg zu verlassen, sind Belle und ich mit unserem Blog online gegangen. Mein erstes Posting war “Über uns” – und es beschreibt recht gut, an welchem Punkt ich mich bereits damals befand. Ich war bereit, mich diesem neuen Leben zu stellen. Nachdem diese unglaubliche Befassungsenergie, die der Kinderwunsch gezogen hatte, aufgelöst war und ich aus der akuten Trauerblase wieder aufgetaucht war, war da auch eine enorme Energie. Aufbruchstimmung. Die hat mich eine Zeitlang ziemlich vorpreschen lassen. Zum einen wollte ich so schnell wie möglich auch endlich in meinem neuen Leben ankommen – Zwischenzustand hatte ich gefühlt wirklich lange genug. Zum anderen hatte ich so viele verschiedene Ideen im Kopf, dass ich am liebsten alle davon auf einmal umgesetzt hätte. Schließlich hatte ich einige andere Wünsche und Träume auch lange zurück gestellt.

Ein klassischer Anfängerfehler. Mein professionelles Berufs-Ich weiß das besser 🙂 Aber auch das hat mich nicht davon abgehalten, so vorzugehen. Außerdem war ich besessen davon, schnell irgendetwas wahnsinnig Sinnvolles und Bedeutendes alternativ zu tun. Auf der Suche nach dem Persilschein für mein kinderloses Leben. Ja nee, is klar. Sicher geht es dabei auch immer um Kompensation. Dass das dann teilweise in die Hose geht, ist logisch 🙂

Ich habe es daran gemerkt, dass ich manche Entscheidungen schon kurz drauf bereut habe – andere wiederum überhaupt nicht in der Lage war zu treffen und mich statt dessen lieber in Detailplanungen verloren habe. Und irgendwann hatte ich das Gefühl, statt Bewegung war wieder Stillstand angesagt. Und ich hasste es. Von Stillstand hatte ich die Nase voll. Weiter weg zu rennen ist aber völlig sinnlos. Das ist wie im Treibsand. Je hektischer Du dann rennst, um so schneller und tiefer hängst Du fest.

Irgendwann habe ich das zähneknirschend akzeptiert und bin dann nochmal ein paar Meter zurück gegangen und habe erst mal wieder ein paar Hausaufgaben gemacht. Um mal ein Beispiel zu nennen: ich habe mich mit meinem Kinderwunsch nochmal auseinander gesetzt. Welche Bilder hatte ich dazu eigentlich alle im Kopf ? Was habe ich mit dem Kinderwunsch alles verbunden? Welche weiteren Wünsche hingen da mit dran ? Welche Vorstellungen vom Leben ? Meine extrinsischen Motivationen daran rausgearbeitet. Und mir dann überlegt, was davon mir wirklich noch wichtig ist. Ich habe alles aufgeschrieben. Ganz oben den übergeordneten Wunsch: ein leibliches Kind bekommen. Und darunter alle weiteren Wünsche und Vorstellungen, die damit verbunden waren.

Und eine Wunschliste aller weiteren Wünsche und Lebensträume, die ich je hatte. Und dann habe ich sie auf Aktualität überprüft. Und sie rigoros aussortiert. Alles im Leben hat seine Zeit. Und manche Wünsche überleben sich einfach auch. Wichtig ist aber, sie auch wirklich bewusst los zu lassen. Sie zu löschen. Sie müllen Dir sonst quasi Deine innere Speicherplatte zu. Da kann es schon helfen, sie einfach auf einem Zettel fett durch zu streichen und damit Deinem Bewusstsein dabei zu helfen, wirklich zu bemerken, dass dieser Wunsch oder jene Vorstellung oder ein Ziel nicht mehr aktuell ist. Übriggeblieben sind einige ganz konkrete Ziele, die ich – bzw. die auch wir als Paar – bereits begonnen haben umzusetzen. Das betrifft zum Beispiel berufliche Projekte. Mit der Konsequenz, dass wir nun einige Zeit im Jahr im Ausland leben und arbeiten können. Das war immer ein Traum. Der hat überlebt – und den haben wir uns erfüllt. In ziemlich kurzer Zeit sogar. Für die Umsetzung anderer Wünsche nehmen wir uns mehr Zeit. Bewusst. Weil sie noch nicht ausgereift sind. Oder weil der Zeitpunkt noch nicht reif ist.

Was ist das Gute am Schlechten? Was ist (bei allem Leid) das Gute daran, dass sich Dein Traum von einem Kind nicht erfüllt hat?
Das Gute am Schlechten ist auf jeden Fall eine ambivalente Situation. Und diese Ambivalenz musste ich auch erst mal zulassen und aushalten lernen. Nämlich meine Sternenkinder bis ans Ende meines Lebens zu vermissen UND ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Ein Leben, welches ich genau SO nur führe, weil sie nicht auf dieser Seite des Lebens sind. Es ist eben beides. Das ist meine Realität. Mein Leben.

Positiv ist: die Flexibilität zu haben, mich für einige Dinge nochmal neu entscheiden zu können. Ich habe z.B. dadurch die Möglichkeit, mich auf vielfältige Weise zu engagieren. Für soziale Projekte, die mir am Herzen liegen.

Ob ich mich dabei für ein spezielles Projekt sehr intensiv oder lieber für weitere verschiedene Projekte in der Breite engagieren möchte, kann ich derzeit noch relativ frei entscheiden. Der Mann erinnert mich zwar ab und zu “sanft” *he he he* daran, dass auch mein Tag nur 24 Stunden hat – aber ich finde, da geht schon noch was 🙂

Abschied vom Kinderwunsch ist definitiv auch eine große Inventur. Du räumst Dein Leben komplett auf. Du musst an viele Themen eh ran. Das bringen Krisen ja nun immer mit sich. Dadurch entstehen aber auch wieder ganz neue Freiräume. Wie ich die (aus)fülle und ob überhaupt, entscheide allein ich. Dadurch, dass ich mich von dem Wunsch nach einem leiblichen Kind bewusst verabschiedet habe, bin ich nun auch anderen Kindern gegenüber wieder völlig unbefangen. Da ist kein Schmerz und keine Trauer mehr in der Begegnung. Es gäbe also auch viele verschiedene Möglichkeiten, mich auch für das Wohl von Kindern zu engagieren. Wenn ich das wirklich wollen würde.

Indem ich meinen Kinderwunsch losgelassen habe, bin ich auch frei dafür geworden, diese Möglichkeiten überhaupt wahrnehmen zu können. Als Möglichkeiten für sich. Und ich wäre auch heute erst in der Lage, sie adäquat auszufüllen. Für das Kind. Und nicht als Kompensation meines nicht erfüllten Kinderwunsches. Und genau so sollte es auch sein. Alles andere fliegt Dir sonst nämlich um die Ohren. Daher bin ich auch nicht für Adoptionsverfahren parallel zu Kinderwunschbehandlungen. Aber das führt jetzt endgültig zu weit hier *lach* Mir liegen aber auch andere Dinge und Themen sehr am Herzen. Und hier nehme ich mir etwas, was ich auf dem aktiven Kinderwunschweg in den letzten Jahren gefühlt nie so wirklich hatte: ZEIT.

Denn für mich tickt keine biologische Uhr mehr. Es gibt keinen Druck, alle Entscheidungen gleich heute treffen zu müssen. Und falls ich mich am Ende des Tages dazu entscheiden sollte, mir mit dem jetzt noch übriggebliebenen Freiraum einfach so “ein schönes Leben” zu machen, dann finde ich das ebenfalls verdammt legitim 🙂 Und spüre auch keinerlei Rechtfertigungsdruck mehr. Es ist eben auch geil, am Wochenende einfach ausschlafen zu können, wenn man das möchte. Sorry, aber es wäre doch blöd, so zu tun, als wäre es anders. Und noch blöder wäre es, wenn man sich selber die Vorteile, die ein Leben ohne Kind in den eigenen vier Wänden hat, kleinreden würde. Da ist es doch schlauer, sie irgendwann auch wieder zu genießen. Wo man sie schon mal hat.

Keine muss Bundeskanzlerin oder die nächste Mutter Theresa werden oder etwas anderes fabelhaft Großartiges leisten, nur um eine “gute Kinderlose” zu sein. Außer sie möchte Bundeskanzlerin werden. Ich kenne übrigens tatsächlich mehr Eltern, die sich nicht um allgemeine soziale Belange scheren, als Kinderlose. Vielleicht sind die eben auch einfach zu müde dazu 🙂

Wichtig ist doch, ein erfülltes Leben zu führen und etwas zu er-schaffen. Kreativ zu sein. Auf welche Art auch immer.  Und das ist am Ende eine höchst individuelle Geschichte. Wie alle Geschichten. Das hier – ist ein Einblick in meine Geschichte gewesen. Alles Liebe für Euch
Isa

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DANKE liebe Isa für dieses Interview! Ja, es geht gut aus – ganz egal, wie es ausgeht! Das habe ich selbst, da ich ja auch CNBC(childless/childfree not by choice) bin, erlebt. Und ja, auch wenn der Weg eine Weile braucht und eine psycho-soziale Unterstützung dabei gut tut, weil man auf dem Weg zum Abschied vom Kinderwunsch und dem Start in das „neue“ Leben begleitet wird, geht es gut aus. Ja, wenn man jemanden an der Seite hat, der auf einen aufpasst und dort Hilfestellung bietet, wo nötig, ist es oftmals leichter. Und es geht gut aus – das habe ich selbst erlebt. Und ja, Du liebe Leserin/lieber Leser, kannst das auch schaffen!

Als Coach habe ich mich darauf spezialiert, Menschen im Kinderwunsch und beim Abschied von ihrem Lebenstraum zu begleiten und dabei zu unterstützen, in eben das „neue“ SINNerfüllte, lebensFROHE Leben zu finden. Ich biete meine Unterstützung im Büro in München aber auch digital über Skype, E-Mail und Telefon an – denn ich glaube, alle sollten diese Unterstützung bekommen können.
Meine Kunden sagen, es täte ihnen gut – und der Weg wäre leichter mit mir. Wenn Ihr glaubt, dass ich Euch auch unterstützen soll auf diesem Weg, meldet Euch gerne bei mir: Franziska.Ferber(@)Kindersehnsucht.de oder einfach anrufen: 089/38078816. Allen Interessenten biete ich ein ca. 15minütiges kostenloses Kennenlern-Telefonat an – so kannst Du mich kennenlernen und sehen, ob Du mir vertrauen möchtest. Mein Tipp: Einfach ausprobieren!

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Abschied vom Kinderwunsch – Kindersehnsucht Lebewohl – CNBC – Coaching – Beratung – Begleitung – Unterstützung